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Kritisieren ohne Verstimmung?

Wer als Führungskraft kritisieren muss, will die andere Person doch nicht kränken oder fertig machen. Sie soll nur bewegt werden, einen Fehler wieder auszubügeln oder eine Aufgabe zukünftig besser zu erledigen. Dennoch kommen atmosphärische Verstimmungen häufig vor. Wie kann man das zuverlässig verhindern?

Frau mit enttäuschtem Gesichtsausdruck
© Robin Higgins, Pixabay-Lizenz 2022

Sanft formulieren?

Eine erste Idee ist es, die Worte besonders vorsichtig zu wählen. Keine Übertreibungen, kein „immer“, „nie“ oder „dauernd“, sondern Ich-Botschaften, von mir selbst sprechen. Kann das funktionieren?

Frau Heinen hatte die Präsentation für das heutige Meeting gestern erst spät an ihre Chefin gemailt, 18.48 Uhr, um genau zu sein. Und das war auch nicht das erste Mal so. Die Folge: ihre Vorgesetzte Frau Krämer hatte keine Zeit mehr, sich genau einzulesen oder gar Rückfragen zu stellen. Mit ihrer Routine kriegte sie es immer irgendwie hin, ohne dass die Teilnehmenden des Meetings etwas bemerkten Aber trotzdem ärgerlich. Das wollte sie mal ansprechen.

„Frau Heinen, ich fühle mich manchmal etwas unsicher, wenn ich eine von Ihnen vorbereitete Präsentation vortrage und so wenig Vorbereitungszeit hatte.“

„Ja, die Zeitnot hier wird immer schlimmer. Ich werde diesen Monat meine Plusstunden auch kaum reduzieren können. Und nächsten Monat habe ich ja zwei Wochen Urlaub. Da sollten wir nochmal reden, wie das weitergehen soll…“

Hat die Mitarbeiterin die Botschaft verstanden? Wohl kaum. Weiche Formulierungen lassen zu viele Möglichkeiten offen, das Gesagte zu interpretieren. Die Gesprächspartnerin bleibt in ihrem eigenen Gedankenraum und nimmt sich die Aspekte heraus, die bei ihr gut passen. Und alles bleibt, wie es war.

Sandwich-Technik?

Früher wurde in Seminaren die Technik gelehrt, eine Kritik in zwei positive Aussagen einzubetten, wie bei einem Sandwich. Das würde mit der ersten positiven Anmerkung den Boden bereiten, bevor die Kritik geäußert wird. Durch den Abschluss mit Anerkennung würde eine eventuelle Verunsicherung aufgefangen. Hört sich gut an. Funktioniert das?

„Frau Heinen, Ihre Präsentationen sind immer prima, verständlich und gut gestylt. Aber gestern Abend, das war zu spät, als Sie das abgeschickt haben. Da konnte ich mich kaum vorbereiten. Dennoch schätze ich Sie als verantwortliche und selbstständig arbeitende Referentin sehr.“

Nach meiner Erfahrung geht das schief, und zwar auf zwei Arten. Die erste: Das Lob wird angenommen und der kritische Aspekt überhört oder bagatellisiert.

„Ja dankeschön! Das freut mich aber. Ich gebe mir auch immer Mühe, die Ergebnisse prägnant darzustellen. Aber es soll auch nicht überkandidelt sein, das Design soll die Inhalte nicht übertrumpfen. Ich bin auch sehr zufrieden, dass Sie mich da so selbstständig arbeiten lassen.“

Wenn nun die Frau Heinen kein so robuster Sonnenschein ist, sondern eher empfindlich, dann wird sie die Kritik schon verstehen und das Positive als Beiwerk abtun. Das Problem kommt dann später, wenn die Führungskraft eine „reine“ Anerkennung rüberbringen will. Da wird die Mitarbeiterin dem Braten nicht trauen, und erwarten, dass das dicke Ende noch kommt. Der Boden für positives Feedback wird schleichend vergiftet. Das kann ich daher nicht empfehlen. Eine Sorte Feedback auf einmal, das reicht.

Suggestivfragen?

Wenn also alles, was die Führungskraft kritisch formuliert, missverstanden werden kann, wäre es dann nicht besser, mit der Mitarbeiterin das Problem „fragend zu erarbeiten“? Sie könnte durch kluge Fragen geleitet selbst darauf kommen, dass es so nicht geht.

„Frau Heinen, wann hatten Sie die Präsentation gestern nochmal gemailt?“

„Ach ja, das ist spät geworden. Aber ich habe es noch geschafft!“

„Wann habe ich das lesen können?“

„Keine Ahnung, ich kenne ja Ihren Tagesablauf nicht.“

„Heute Morgen gegen 9 Uhr, kurz vor einer Telko. Wieviel Zeit hatte ich dann, mich da reinzulesen?“

„Das weiß ich doch nicht. Was meinen Sie denn, war es Ihnen zu kurzfristig?“

„Was kann denn passieren, wenn ich so eine Präsentation halten muss, die ich selbst nur mal kurz überflogen habe?“

„Sie sind doch in dem Thema grundsätzlich drin. Was war denn für Sie unverständlich? Ich mache diese PPTs doch schon lange.“

„Genau. Und wie oft kam es Ihrer Meinung nach schon vor, dass die erst so spät fertig wurden?“

„Wollen Sie mich hier fertigmachen?! Sagen Sie doch endlich, was los ist!“

Eine Reihe von Fragen, die das Gegenüber nicht einordnen kann, irritiert und macht ärgerlich. Es wirkt nicht eloquent, sondern eher feige, wenn die Führungskraft es vermeidet, Farbe zu bekennen.

Ja, was funktioniert denn nun? Was kann man denn wirklich machen, um eine Kritik „verdaulich“ zu gestalten?


Was bei Kritik innerlich passiert

Versetzen wir uns die die Situation, selbst kritisiert zu werden: Wenn wir mit einer Kritik nicht gerechnet haben, dann bringt sie uns innerlich aus dem Gleichgewicht. Wir haben es doch gut gemeint, nach unserer Einschätzung auch gut gemacht – und nun wird das angezweifelt. Diese Schieflage aktiviert uns, die Dinge klarzustellen:

  • So kann man das nicht sehen
  • Das kann nicht so gewesen sein
  • Ich konnte gar nicht anders, weil...
  • Auf keinen Fall bin ich schuld
  • Wie können Sie das nur sagen!

Das ist ganz menschlich und normal. Unser Selbstwert ist beeinträchtigt, und diesen wiederherzustellen, das ist ein automatischer Reflex. Anstatt nüchtern-sachlich zu analysieren, was genau gestört hat und wie es dazu gekommen ist, schlagen emotionale Wellen hoch und die Wahrnehmung wird selektiv. Wir sind gekränkt.

Innerlich wird der Verteidigungsfall ausgerufen

Das bedauerliche Fazit lautet also: Wenn jemand nicht mit der Kritik rechnet, wird es immer schmerzlich sein, sofern wir es nicht mit einem erleuchteten Zen-Meister oder sonstigem Weisen zu tun haben. Kritisieren, ohne den anderen– zumindest kurzfristig - zu beeinträchtigen, das ist leider nicht möglich.

Ein realistisches Ziel ist aber, das Gespräch so weiterzuführen, dass die kritisierte Person möglichst schnell wieder aus ihrem Kränkungstief herausfindet.


Neues Zielbild: gemeinsame Problemlösung

Die kritisierende Führungskraft sollte also ihr Ziel ändern: Das bloße Anbringen der Kritik ist nicht ausreichend. Das lässt den Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin im inneren Ungleichgewicht zurück. Besser ist die Begleitung bei der gedanklichen Problemlösung.

Klartext ist nötig

Vor der Problemlösung steht aber das Problembewusstsein. Damit das entstehen kann, müssen wir klar und deutlich sagen, was uns gestört hat und warum, auch wenn wir dem anderen damit (zu) nahetreten.

„Frau Heinen, Ihre Präsentation habe ich erst heute Morgen in meinem Postfach gesehen. Da konnte ich mich wegen anderer Termine nicht mehr ausreichend einlesen. Ich bin sehr unzufrieden, dass ich schlecht vorbereitet zu dem Meeting gehen musste, zumal das schon öfters passiert ist. Mein Vortrag dort ist wichtig, auch für andere.“

Damit dürfte das Problem klar beschrieben sein. Anschließend erwarten wir aber keine Einsicht, sondern die Verteidigungsreaktionen einer gekränkten Person. Durch die müssen wir durch, um zu der angestrebten gemeinsamen Problemlösung zu kommen. Wie können wir damit umgehen?

Aktives Zuhören: Verständnis zeigen, ohne einverstanden sein müssen

Als erstes bietet sich das Aktive Zuhören an. Wir lassen der kritisierten Person das Wort, hören zu und fassen mit eigenen Worten (wohlwollend!) zusammen, was wir verstanden haben. Durch die Formulierung „Verstehe ich Sie richtig, dass…“ machen wir deutlich, dass wir das nicht unbedingt genauso sehen.

„Also Frau Krämer, da kann ich wirklich nichts für! Wissen Sie, was gestern hier los war? Sie könnten froh sein, dass ich das überhaupt noch geschafft habe! Also diese Kritik muss ich zurückweisen.“

„Verstehe ich Sie richtig, Frau Heinen, dass Sie sich trotz großer Belastung bemüht haben, die Präsentation noch gestern fertig zu kriegen?“

"Ja, ganz genau. Ich wollte eigentlich schon um 17 Uhr gehen und bin extra länger geblieben. Weil Sie das ja brauchen. Also ich war wirklich engagiert!“

„Das heißt, Sie haben Überstunden gemacht und ihre Zeitplanung umgestellt?“

„Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich das schneller hingekriegt hätte. Da müssen Sie meine Situation schon auch sehen.“

„Aus Ihrer Sicht haben Sie das Beste gemacht, was in der Situation überhaupt ging?“

„Ja, so war das.“

Fragen: den andern zum Lösungsdenken anregen

Durch dieses aktive Zuhören wird sich das Gegenüber beruhigen. Eine Frau Heinen merkt beispielsweise, dass die Chefin ihre Sichtweise auch gelten lässt. Wir können auf Sprechtempo und Stimme achten und beobachten, ob die ruhiger werden. Nun können wir mit Fragen das Gespräch auf die Zukunft lenken.

„Was könnten Sie denn zukünftig ändern, um eine solche Hektik bei Ihnen und die fehlende Vorbereitungszeit für mich zu vermeiden?“

„Dann müsste ich schon zwei Tage vorher anfangen. Aber dann sind die Zahlen ja nicht aktuell!“

„Hm, das scheint nicht zu gehen. Was könnten Sie noch ändern?“

"Dann könnte ich höchsten noch den Abgabetag irgendwie freihalten, also für andere Aufgaben blockieren.“

„Das halte ich für sinnvoll. Was müssten Sie dafür tun?“...

So kann man sich an eine realistische Lösung heranarbeiten. Auch wenn der Einstieg mit der Kritik nicht schönzureden ist, soll die Mitarbeiterin aus dem Gespräch herausgehen mit einem positiven Gefühl: Ich weiß, wie ich solche Probleme zukünftig vermeiden kann.

Auf die konstruktive Stimmung am Gesprächsende kommt es an


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