Forderungen, seien es Zusatzaufgaben oder mehr Leistung, lösen leicht eine Eskalation aus. Der Mitarbeiter verteidigt seine Arbeitsorganisation und die Führungskraft reagiert oft mit Härte, um sich durchzusetzen. Doch das ist nicht sinnvoll. Konsequenz ja, aber mit Vertrauen und im Dialog.
Fordern - nicht immer ganz einfach
Herr Werner, der Abteilungsleiter, wollte Aufgaben delegieren, um Zeit für die neue Arbeitsgruppe zu gewinnen. Diese Fehlerliste, dachte er, das kann auch
ein Mitarbeiter machen. Auch die Abstimmung der Urlaube müsste er nicht persönlich erledigen, er bräuchte als Chef nur bei Streitfällen einbezogen werden. Bei nächster Gelegenheit sprach er also
Herrn Kustowiak an, der in seiner Erinnerung noch keinerlei Sonderaufgaben innehatte. Dieser wehrte sich vehement: „Sie bekommen gar nicht mit, wie viel Arbeit wir hier haben! Kein Wunder, wenn
Sie dauernd in Besprechungen sind. Ich kann nichts mehr zusätzlich übernehmen.“ Herr Werner verteidigte sich, dass die Meetings auch für die
Abteilung wichtig seien.
„Könnten Sie denn vielleicht eine der beiden Aufgaben übernehmen?“ Sein Tonfall war wohl etwas bestimmter geworden, denn Herr Kustowiak ruderte zurück: „Selbstverständlich erledige ich alle Aufgaben, die Sie mir geben, aber Sie müssen mich dann an anderer Stelle entlasten.“ Das wollte Herr Werner natürlich nicht. „Meinen Sie nicht, dass es mit etwas Engagement auch so geht?“ appellierte er. „Ich bin schon mehr als engagiert!“, antwortete der Mitarbeiter, „Schauen Sie sich nur mal mein Stundenkonto an.“ Da erinnerte sich Herr Werner plötzlich, dass Herr Kustowiak seine Plusstundengrenze schon überschritten hatte, denn er hatte die Freigabe dafür neulich erteilt. Er seufzte, nahm von seinem Vorhaben Abstand und ermahnte den Mitarbeiter lediglich, an den Abbau der Plusstunden zu denken.
Leistung fordern ist Managementfunktion
Tja, gar nicht immer einfach, eine Forderung anzubringen! Die Mitarbeitenden haben sich ihre Arbeit eingeteilt. Zusätzliche Aufgaben oder andere Änderungen stören dieses Gleichgewicht. Verständlich, wenn sie es verteidigen. Als Führungskraft sollten Sie das nicht persönlich nehmen. Allerdings auch nicht aufgeben! Denn die Steuerung der Arbeitsleistung in Ihrem Verantwortungsbereich ist eine wichtige Managementfunktion, sie gehört zu ihren Kernaufgaben. Deshalb will ich Ihnen den Rücken stärken: Wenn Sie Arbeit delegieren, dann stehen dahinter (hoffe ich jedenfalls) betriebliche Notwendigkeiten. Diese zu kommunizieren und zu konkretisieren, dafür brauchen Unternehmen die Führungskräfte. Übergreifende Ziele wie Kundenzufriedenheit, Marktpräsenz oder Datensicherheit erfüllen sich nicht von selbst, sondern werden durch viele kleine Tätigkeiten an der Basis erreicht. Und dazu sollen und dürfen die Führungskräfte auffordern.
Härte aus Hilflosigkeit
Wie wir erfahren haben, war es mit Forderungen an Herrn Kustowiak nicht leicht. Aber freundliche Bitten brachten auch nichts. Als sich seine Plusstunden weiter erhöht hatten, war Herrn Werners Geduld zu Ende. „Herr Kustowiak, trotz meiner Mahnung haben Sie Ihre Plusstunden nicht gesenkt. Der Überhang wird nicht weiter verlängert – die Stunden werden gestrichen. Ich fordere Sie auf, bis zum Monatsende 10 Stunden abzubauen, damit Sie einen Puffer haben. Noch irgendwelche Fragen?!“ Herr Kustowiak starrte seinen Chef an, den er noch nie so unfreundlich erlebt hatte.
Dass gerade harmoniebetonte Führungskräfte zu streng fordern, wenn sie sich durchsetzen müssen, ist (psycho-)logisch: Sie haben gleich zwei Widerstände zu überwinden, den des Mitarbeiters und ihre eigene innere Hemmschwelle. Diese innere Stimme, die einem sagt: „Du darfst den Mitarbeiter keinesfalls demotivieren.“
Innere Erlaubnis
Wenn solch eine verträgliche Führungskraft Forderungen ohne Härte stellen will, dann braucht sie eine innere Erlaubnis. Bevor sie sich ins Gespräch begibt, muss sie sich selbst überzeugen. Der innere Bremser, der niemand auf die Füße treten will, hat ja sein Gutes. Dennoch muss man nicht so sein, wie der andere einen haben will! Ich nenne das passende Gefühl „verantwortliche Selbstbestimmung“: ich als Führungskraft bestimme und verantworte die Leistungsanforderungen in meinem Bereich. Das bringt mich raus aus der Verteidigungshaltung und schafft ein gutes Fundament für Offenheit im Gespräch.
Rollenklarheit
Dazu hilft auch, sich seine Rolle klarzumachen. Wer soll denn die Aufgaben verteilen, wenn nicht die Führungskraft? Wenn sie Forderungen nicht durchsetzt, dann belohnt sie die Drückeberger, und die Gutwilligen werden belastet. Verständnis zeigen und Forderungen stellen sind kein Entweder – Oder, sondern können verbunden werden.
Was macht eine Forderung hart?
Ungerechte Verteilung
Ein Mitarbeiter kann den Eindruck haben, dass von ihm mehr gefordert wird als von den Kollegen. Um das zu vermeiden, braucht der Chef eine Übersicht über die Aufgabenverteilung und die Belastungssituationen in seinem Team. Es geht dabei aber nicht nur um die objektive Aufgabenmenge, sondern deren Wahrnehmung. Darüber kann und sollte man sprechen!
Überforderung
Hart wirkt eine Leistungsanforderung, wenn der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin sich die Aufgabe nicht zutraut. Nicht immer wird das offen ausgesprochen! Deshalb sollte die Führungskraft diese Möglichkeit im Hinterkopf haben und durch eine gute Fragetechnik ausloten. Mit der richtigen Hilfestellung kann die Forderung dann vielleicht akzeptiert werden.
Strafarbeiten
Auch eine Unterforderung kann hart wirken: Wenn ein Mitarbeiter es so wahrnimmt, dass er nur langweilige, nervige Aufgaben bekommt, wirkt es wie eine Strafarbeit. Anspruchsvolle Aufgaben und begründete Ziele können leichter angenommen werden.
Schuldzuweisung
Wenn der Mitarbeiter - im Unterton – heraushört, er wäre faul, unmotiviert oder unfähig, führt das ziemlich sicher zu einer Eskalation. Er wird dann sein Selbstwertgefühl verteidigen, und es geht nicht mehr um die Aufgabe.
Kein Dialog
Zugetextet werden ohne die Möglichkeit zu erwidern, auch das wirkt hart. Will die Führungskraft meine Sichtweise nicht hören?
Fehlender Gestaltungsfreiraum
Wenn Sie mehr oder neue Leistung fordern, dann brauchen Mitarbeitende Gestaltungsmöglichkeiten, um ihre Arbeitsorganisation darauf abzustimmen. Arbeitswege vorzugeben ist Teil einer sehr engen Führung. So etwas ist angebracht, wenn ein Mitarbeiter Anfänger ist oder sehr große Defizite aufweist. Ansonsten wird sie – zu recht – als Schikane empfunden.
Enge und weite Führung unterscheiden
Bei einem wenig kompetenten Mitarbeiter muss sich die Führungskraft allerdings schon um die Details der Ausführung kümmern, sonst drohen Fehler und Umwege. Dieser (enge) Führungsstil des ANLEITENs ist sachlich-neutral und ohne jede Vorwürfe. Die Führungsdimension „Aufgabenorientierung“ steht im Vordergrund, danach werden die Arbeitsschritte detailliert besprochen, z. B. anhand einer Checkliste.
Das Gespräch läuft so: Nach der einführenden Leistungsanforderung („Ich möchte, dass Sie …. machen“) geht es direkt weiter zur Besprechung der Arbeitsschritte. Diese hat der Chef vorbereitet. Es wird quasi ein gemeinsames Verbesserungsprojekt.
Bei einem kompetenten Mitarbeiter ist der Führungsstil PARTIZIPIEREN angemessen. Nachdem sie die Leistungsanforderung erklärt hat, geht es im Gespräch eher darum, den Sinn und die Zielsetzung zu vermitteln, damit der Mitarbeiter seine Kräfte richtig einsetzen kann. Bei der Durchführung soll der Chef sich raushalten und dem Mitarbeiter vertrauen.
Wie könnte nun ein Fordern ohne Härte bei Herrn Kustowiak funktionieren? Er ist zwar kein pflegeleichter, aber dennoch ein kompetenter Mitarbeiter, also ist eine weite Führung angezeigt.
1. Anforderung nennen und begründen
- FK: „Herr Kustowiak, ich möchte, dass Sie diese Fehlerliste bearbeiten. Ich weiß, dass Sie sorgfältig arbeiten, und das ist dabei wichtig. Schauen Sie mal hier in die Liste: da geht es um Fehler, die finanzielle Schäden für uns verursachen können. Deshalb ist es notwendig, das so schnell wie möglich zu bereinigen.“
2. Sichtweise des Mitarbeiters verstehen
- MA: „Ja gut, aber wie soll ich das schaffen? Sie bekommen gar nicht mit, wie viel Arbeit wir hier haben! Kein Wunder, wenn Sie dauernd in Besprechungen sind. Ich kann nichts mehr zusätzlich übernehmen.“
- FK: „Verstehe ich Sie richtig, dass Sie sich arbeitsmäßig zu sehr belastet fühlen, um etwas Zusätzliches zu erledigen? Und Sie möchten, dass ich mich mehr um Ihre Arbeitssituation kümmere?“
- MA: „Nein, ich komme schon alleine klar. Selbstverständlich erledige ich alle Aufgaben, die Sie mir geben, aber Sie müssen mich dann an anderer Stelle entlasten.“
- FK: „...also, Sie können Ihre Aufgaben selbst organisieren? Und auch die Fehlerliste ginge klar, wenn andere Aufgaben zurückstehen?“
- MA: „Tja, gerne mache ich das nicht, aber es geht schon.“
3. Einen sinnvollen Rahmen anbieten
- FK: „Das freut mich, weil ich die Fehlerliste bei Ihnen in den richtigen Händen sehe. Und ich schaue schon darauf, dass solche Sonderaufgaben gleichmäßig verteilt werden. Das ist keine Strafarbeit, sondern eine verantwortungsvolle Aufgabe mit finanziellen Auswirkungen für die Firma.“
4. Schlüsselfragen stellen
- MA: „Ich bin schon mehr als engagiert. Schauen Sie sich nur mal mein Stundenkonto an!“
- FK: „Ich kenne Sie ja als sorgsamen Mitarbeiter. Was hat dazu geführt, dass Sie so viele Stunden aufgebaut haben?“
- MA: „Ich weiß es auch nicht. Die Software-Umstellung, die habe ich nicht so leicht weggesteckt. Irgendwie bin ich mit dem neuen System noch nicht so schnell.“
- FK: „Sie sind also selbst nicht so ganz zufrieden? Was müsste denn passieren, damit Sie wieder mehr Arbeit in der verfügbaren Zeit schaffen?“
- MA: „Die Kundenanrufe, die bringen mich immer raus. Könnte ich vielleicht vormittags mein Telefon auf einen Kollegen umstellen?“
- FK: „Hm… wenn wir das machen würden, welche Nachteile hätte das denn auch?“
- MA: „Nun ja, die Kollegen sind in dem Fall nicht drin, die brauchen dann viel mehr Zeit, um zu beraten.“
- FK: „Was fällt Ihnen denn noch ein? Sie kennen sich ja am besten?“
Beide lachen.
- MA: „Vielleicht kann ich auch die Anträge vorsortieren? Dass ich ähnliche Fälle im Zusammenhang erledige, dann festigen sich auch die neuen Menüstrukturen. Das versuche ich mal.“
- FK: „Das hört sich gut an. Was kann ich tun, um Sie dabei zu unterstützen?“
- MA: „Ach Chef, lassen Sie mich mal machen. Muss ich die Fehlerliste denn zusätzlich machen?“
Mit den richtigen Schlüsselfragen entwickelt ein Mitarbeiter seine eigene Lösung, die er dann viel leichter umsetzen kann, als wenn ihm etwas diktiert würde. Wichtig ist, dass die Eingangsforderung nicht wieder diskutiert wird. Die Führungskraft antwortet ruhig und freundlich "Ja" auf die Frage, ob die neue Aufgabe bleibt. Es geht um die Problemlösung bei der Erledigung.
5. Vereinbarungen
- FK: „Ja. Wie wollen Sie da vorgehen?“
- MA: „Vielleicht gucke ich sie mir erstmal genau an. Dann schätze ich den Aufwand, und dann reden wir nochmal über Termin und Entlastung. Ist das okay?“
- FK: „Entlastung oder Verschieben von Aufgaben – dann wäre ich dabei. Bis morgen?“
- MA: „Na gut.“
- FK: „Danke für Ihr konstruktives Herangehen! Jetzt bin ich beruhigt.“
- MA: „Aber klar doch, Chef.“
Ziel- und Leistungsorientierung
Weg mit dem schlechten Gewissen! Die Führungsdimension "Ziel- und Leistungsorientierung" ist etwas für kompetente Mitarbeitende, das dürfen diese auch ruhig wissen. Wenn sich die Führungskraft den inneren Druck nimmt, dann gelingt es am besten, im Gespräch freundlich und zuversichtlich zu bleiben.
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