Beim Monats-Jourfixe handelt es sich um ein regelmäßiges Führungsgespräch mit guten, also kompetenten und richtig motivierten Mitarbeitenden. Es findet monatlich zu einem festen Termin statt, beispielsweise jeden ersten Donnerstag im Monat um 14.00 Uhr. Ein Zeitrahmen sollte auch vereinbart werden. Das hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Nach meinen Erfahrungen werden Zeitfenster zwischen 30 und 60 Minuten häufig gewählt.
Wie soll so ein Gespräch optimal gestaltet werden? Dazu schauen wir auf die Ziele, die es erreichen soll. Mit kompetenten Mitarbeitenden sind das
- ihre hohe Kompetenz optimal nutzbar machen, also gute Leistung im Sinne des Unternehmens
- und ihre Kompetenz weiterentwickeln, im Sinne einer Förderung der Potenziale
Metapher: Spitzensportler trainieren
Als gute Metapher kommt mir in den Sinn: Spitzensportler trainieren, d.h. jemand, der gut ist, darin unterstützen, noch besser zu werden. Das ist nur durch freiwilliges Engagement der Beschäftigten erreichbar, denn die Verpflichtungen laut Arbeitsvertrag erfüllen sie ja sowieso.
Leistungssteigerung bei den richtig guten Mitarbeitenden kann dann auch nicht heißen, schneller zu arbeiten, sondern intelligente Ansatzpunkte für mehr Effizienz zu finden, im Sinne des Unternehmens durchaus auch über den Arbeitsplatz hinaus. Es geht um
- Mitdenken
- die Arbeitsprozesse mitgestalten (Stichwort Job Crafting)
- Innovationen vorantreiben
- Know-how weitergeben
Wesentlich ist der Aufbau von Vertrauen, damit das gemeinsame Gespräch auch als Reflexionsraum und Lernraum genutzt werden kann. Allerdings ist ein oberflächliches, zu nettes (bequemes) Loben und Gut zureden eher unangemessen – denke Sie an die Spitzensportler, die wollen auch gefordert werden!
Die aktuellen Themen und Schwerpunkte werden sinnvollerweise vom Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin gesetzt. Deshalb bietet sich ein Leitfaden mit definierten Gesprächsschritten hier weniger an.
Von Seiten der Führungskraft ist eine hohe Aufmerksamkeit und Offenheit notwendig, um den Mitarbeiter in seiner Individualität wahrzunehmen und mit ihm gemeinsam auszuloten, was die „Lessons Learned der letzten Wochen sind und welche neuen Ideen und Ansatzpunkte sich für die Zukunft ergeben.
Dafür hat sich ein Set von Fragen als nützlich erwiesen, die das Gespräch nicht einengen, aber eine Struktur anbieten.
1. Aktivitäten
Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter wird angeregt, die eigenen Handlungsansätze zum Thema zu rekapitulieren. Die Führungskraft erfährt dabei auch, wie die Arbeitszeit eingesetzt wurde.
2. Ergebnisse
Aktivismus bringt nicht unbedingt Erfolg. Diese Frage erinnert daran, die Ziele im Auge zu behalten.
3. Zufriedenheit
Hier geht es um die subjektive Bewertung der (Sach-)Ergebnisse. Die Führungskraft kann darauf achten, ob sie die Maßstäbe des Mitarbeiters teilt. Ebenso wird erkennbar, wenn dieser über- oder unterfordert ist.
4. Schwierigkeiten + Lösungen
Meist wird dies schon eigenständig berichtet. Die Führungskraft lenkt den Blick weg von einer Problemorientierung und kann Lösungskompetenz fordern und fördern.
5. Ausblick
Die Führungskraft begleitet die Planung des Mitarbeiters und kann ggf. eigene Ideen beisteuern und Unterstützung oder Informationen organisieren.
So kann das ablaufen:
Herr Dürkem ist Vertriebsleiter in einem Pharmaunternehmen für medizinische Produkte, die in Arztpraxen und Kliniken angewendet werden. Ihm sind sechs Pharmareferenten unterstellt, die jeweils ein eigenes Vertriebsgebiet betreuen. Dazu besuchen sie Ärzte in Kliniken und Facharztpraxen und führen Beratungs- und Verkaufsgespräche. Zu ihren Aufgaben gehört auch, Schulungen durchzuführen, Informationsmaterialien zu erstellen und an der Vertriebsstrategie der Firma mitzuarbeiten.
Die Pharmareferenten sind naturgemäß viel unterwegs und arbeiten ansonsten im Homeoffice. Die vereinbarten Monats-Jourfixe-Gespräche finden über Zoom oder Telefon statt. So auch das Beispiel mit Herrn Kobicek.
FK: „Guten Morgen, Herr Kobicek! Wie geht’s bei Ihnen?“
MA: „Morgen, Herr Dürkem. Ach, heute geht’s mir gut. Ich bin froh, dass ich bei dem Wetter nicht unterwegs sein muss. Da ist mir ein gemütliches Gespräch mit Ihnen schon lieber. Aber Spaß beiseite: Der Monat war richtig hart. Die Preissenkung von unserem Mitbewerber hat hohe Wellen geschlagen. Insbesondere um die Unikliniken mussten wir kämpfen, bei mir ja Hannover, Münster und Bielefeld. Da habe ich mich mit Kollegen zusammengetan, um eine Musterargumentation auszuarbeiten. Die hatte ich Ihnen auch zugemailt.“
FK: „Ja, darüber hatten wir auch schon telefoniert. Was sollen wir heute besprechen? Vielleicht berichten Sie erstmal: Was waren Ihre Aktivitäten im letzten Monat?“
MA: „Dann berichte ich mal, damit Sie einen Eindruck bekommen. Also die meiste Zeit habe ich in das Geschäft mit den Unikliniken gesteckt. Das hat uns ja alle aufgerüttelt. Dann der normale Besuchsplan: im letzten Monat lag der Schwerpunkt turnusgemäß auf den Kurkliniken. Die Facharztpraxen habe ich nur besucht, wenn sie auf dem Weg lagen. Tja, und dann hatte ich ja eigentlich im Zuge der Gebietsneuordnung vor drei Monaten zwei neue Vertriebsgebiete hinzubekommen, Kassel und Göttingen plus Umland. Da müsste ich die Übergabe von meinem Kollegen mal organisieren und Antrittsbesuche vereinbaren. Das habe ich nicht geschafft. Die Kundenhaltearbeit nach der Preissenkung der Konkurrenz, das hat einfach so viel Zeit gefressen.“
FK: „Okay. Wenn Sie den Monat so betrachten, was sind die Ergebnisse, die Sie erreicht haben?“
MA: „Hm, Ergebnisse... Sie fragen immer so genau. Aber es ist ja richtig. Also: Ergebnisse. Die Abschlüsse bei den Kurkliniken sind überdurchschnittlich. Bei den Fachärzten hänge ich hinterher. Und bei den Unikliniken habe ich oft nicht mal Gesprächstermine bei den Chefärzten bekommen. Dafür habe ich versucht, Sonderkonditionen hier im Haus zu bekommen. Da waren Sie ja auch involviert. Aber wir haben auf Granit gebissen. Jetzt warten wir erstmal die Entwicklung ab."
FK: „Wie zufrieden sind Sie da jeweils, auch in Anbetracht der angespannten Konkurrenzsituation?“
MA: „Gar nicht. Also bei den Unikliniken, da bin ich richtig beunruhigt. Die sind so preissensibel! Da weiß ich nicht mehr weiter. Ansonsten bin ich schon zufrieden. Insgesamt war der Monat ja nicht so schlecht.“
FK: „Meine Einschätzung ist da in Teilen anders.“
MA: „Ach so, wie denn?“
FK: „Der Einbruch bei den Umsätzen der Unikliniken ist nicht zu leugnen. Dennoch bind ich zufrieden, wie Sie gekämpft haben, auch in der Arbeitsgruppe mit der Musterargumentation. Mehr konnten Sie meiner Meinung nach nicht tun. Also danke dafür. Über Ihre Ergebnisse bei den Reha-Kliniken freue ich mich. Damit haben Sie die Einbußen bei den Unikliniken fast wettgemacht. Prima! Nicht zufrieden bin ich mit Ihren Praxisbesuchen.“
MA: „Ja, da haben Sie recht. Damit kann ich eigentlich auch nicht zufrieden sein. Aber ich habe eben andere Prioritäten gesetzt. Dadurch habe ich ja die anderen Erfolge erzielt.“
FK: „Was sind denn die Folgen Ihrer Prios, jetzt mal für den Praxenbereich?“
MA: „Naja, die haben mich jetzt nicht vermisst. Vielleicht habe ich Umsatz liegen gelassen, der dort möglich gewesen wäre.“
FK: „Das sehe ich auch so. Und was ist mit den neuen Gebieten, die Sie übernehmen sollten?“
MA: „Da habe ich mich noch nicht gekümmert. Meinen Sie, der Kollege betreut die auch nicht mehr? Dann wären die ja schon ein Quartal ohne Kontakte.“
FK: „Ich weiß das nicht. Welche Probleme gibt es denn da, dass es nicht weitergekommen ist?“
MA: „Der Kollege hat sich auch nicht gemeldet. Und ich hatte wahrlich viel um die Ohren.“
FK: „Verstehe ich es richtig, dass Sie im letzten Quartal überlastet waren und Ihnen das etwas aus dem Blick geraten ist?“
MA: „Aus dem Blick geraten, das ja. Aber überlastet? Nein, das will ich nun nicht behaupten. Meine Prios waren da wohl doch nicht so richtig. Das habe ich nicht zu Ende durchdacht.“
FK: „Also, Sie übernehmen die Verantwortung? Das finde ich gut. Wie können Sie sowas zukünftig denn vermeiden?“
MA: „Tja, ich habe mich von dem Problem bei den Unikliniken ablenken lassen. Da habe ich mich richtiggehend festgebissen und rechts und links nichts mehr gesehen. Obwohl die Fachärzte ja auch einen großen Anteil am Umsatz haben. Aber die sind - wie soll ich sagen? – eher langweilig. So 'ne Uniklinik, da muss ich mich anstrengen, aber dann gibt es auch einen großen Auftrag. Die niedergelassenen Ärzte, das ist eher mühsamer Kleinkram. Aber wie man so sagt: Kleinvieh macht auch Mist.“
FK: „Um mal in Richtung Lösung zu schauen: Welche Ideen haben Sie?“
MA: „Als erstes mache ich dem Kollegen mal zwei Terminvorschläge für eine Übergabe-Besprechung. Und parallel werde ich schon ein besonderes Mailing für die Praxen in den neuen Gebieten vorbereiten, wo ich mich vorstelle. Dann kann ich gleich die Antrittsbesuche vereinbaren. Da gibt es viel zu tun.“
FK: „Womit wir dann gleich zum Ausblick auf den nächsten Monat gekommen sind...“
MA: „Ja genau. Da ist mein turnusmäßiger Besuchsschwerpunkt bei den Fachärzten, das passt ja super. Also werde ich einen engmaschigen Besuchsplan organisieren. Ärgerlich ist nur, dass die Fachärzte mich oft lange warten lassen. Was kann ich dagegen tun?“
FK: „Was meinen Sie denn selbst?“
MA: „Ich kann doch schlecht drängeln, ich will ja keinen Konflikt. Wenn ich wieder weggehe, habe ich gar kein Gespräch. Das ist so ungenutzte Zeit. Aber da fällt mir was ein. Bei den Reha-Kliniken haben wir ja immer viel Erfolg mit Schulungen zur Anwendung unserer Produkte. Bei den Fachärzten bieten wir das auch an, aber da kommen nur wenige. Und wenn wir das mal digital versuchen? Als Onlinekurs, auch zum nachträglichen Anschauen? Was meinen Sie dazu?“
FK: „Das gefällt mir sehr gut. Ihre Kollegin Frau Everditz hat auch schon in diese Richtung gedacht. Wollen Sie die mal ansprechen?“
MA: „Gerne. Dann legen wir schnell los und die Fachärzte können sich bei mir wieder betreut fühlen. Bei den Unikliniken würde ich dann etwas lockerlassen und abwarten, wie sich die Unternehmensspitze bezüglich Sonderkonditionen entscheidet. Ist das okay?“
FK: „Ja. Übrigens können Sie auch bei denen in geeigneter Weise auf unsere Schulungsunterstützungen verweisen. Sowas macht unsere Billig-Konkurrenz ja nicht.“
MA: „Das speichere ich gleich als Idee für den übernächsten Monat. Und für die kommenden Wochen spüre ich richtigen Tatendrang. Die Fachärzte sind auch nicht so preissensibel, denen kommt es auf Beratung an. Und darin sind wir doch gut.“
FK: „Das freut mich, dass Sie es optimistisch sehen! Gibt es weitere Themen von Ihrer Seite?“
MA: „...“
In der weiten Führung kommen die Ideen von den Mitarbeitenden. Sie sollen das Gespräch als Bereicherung und Unterstützung erleben, keinesfalls als Disziplinargespräch. Die Führungskraft hält mir ihrer Meinung nicht hinter dem Berg, aber sie gibt nichts vor. Sie belässt die Verantwortung da, wo sie hingehört, nämlich den kompetenten Mitarbeitenden.
Das Gespräch lebt vom Austausch über Probleme und Handlungsideen. Die Führungskraft stärkt den Draht zu ihren Leistungsträgern und lernt bestenfalls selber dazu.
Also: wann machen Sie den ersten Monats-Jourfixe-Termin aus?
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